Stadtteilkomitee Lichtenberg: Gegen das Vergessen
In der Nacht vom 9. zum 10. März stahlen Unbekannte die Gedenktafeln von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht sowie acht weiteren Revolutionär:innen von der Lichtenberger Gedenkstätte der Sozialisten. Dieser Friedhof ist heute einer der bedeutendsten Erinnerungsorte der Arbeiterbewegung und zieht jedes Jahr im Januar tausende Menschen im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Gedenkens an.
Angriffe auf sozialistische Gedenkkultur sind spätestens seit der Annexion der DDR in Deutschland Staatsräson: Das Marx-Engels-Forum konnte man noch nicht wegreißen, es musste allerdings seinen prominenten Platz am Alex räumen. Der seine Faust in den Himmel reckende Ernst Thälmann bei der Greifswalder Straße ist seit den 1990ern regelmäßiges Ziel von Anfeindungen aus Politik und rechtskonservativen Medien. Leninstatuen wurden entfernt und verbuddelt, ein abgerissener Kopf liegt noch als Ausstellungsstück in der Zitadelle Spandau.
Straßenumbenennungen in der ehemaligen DDR führten zu Absurditäten wie dem U-Bahnhof Mohrenstraße, deren Name genau den damit assoziierten rassistischen Hintergrund hat. Vormals hieß diese Station Thälmannplatz, nach dem von den Nazis ermordeten Kommunisten Ernst Thälmann. Auch die Erinnerung an die deutsch-argentinische Revolutionärin Tamara Bunke konnte so getilgt werden. Nach ihr waren über 200 Orte in der ehemaligen DDR benannt.
Es ist also gängige politische Praxis aller bürgerlichen Parteien, das Andenken an jene zu zerstören, die einst für eine bessere Welt kämpften. Zu oft schon mussten sich Linke in dem Kampf dagegen als die Verlierer wiederfinden. Doch immer wieder gelingt es auch, diese Erinnerung zu erhalten. Wenn beispielsweise Ernst Thälmann noch immer seine Faust über den Platz in der Greifswalder Straße erhebt, oder wenn der Sozialistenfriedhof, durch viele ehrenamtliche Aktive, der heutigen Zeit zum Trotze, weiterhin im Januar zum LL-Gedenken eine Pilgerstätte für Jung und Alt ist.

Als in der Nacht vom 9. auf den 10. März nun Unbekannte die Gedenkplatten einiger Sozialist:innen stahlen – darunter, neben den bereits genannten auch F.C. Weiskopf, Franz Mehring, und John Schehr-, so ließ auch uns vom Stadtteilkomitee Lichtenberg dieser Diebstahl nicht unberührt. Ob sie es nun aus antikommunistischen Ressentiments oder, wie von der Polizei behauptet, aus materiellen Gründen taten, spielt dabei keine Rolle. Wenn wir den Angriff auf die Gedenkstelle unserer Genoss:innen schon nicht verhindern konnten, so können wir zumindest unseren Beitrag dazu leisten, den Schaden zu beheben.
Es ist kein Sieg, doch das kleine “aber” gegen die Herrschenden. Der Beweis für den schon lange geführten Kampf gegen die Unterdrücker von damals wie heute, eine Aufforderung an alle, diesen Kampf nicht zu vergessen und ihn weiterzuführen.
Wir haben uns also dazu entschieden, selbst provisorische Gedenktafeln anzufertigen, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. In einem solidarischen Akt gingen wir mit Genoss:innen des Kommunistischen Jugendbundes auf einen Spaziergang durch unseren Bezirk, an dessen Ende wir an der Gedenkstätte ankamen, um unsere Gedenktafeln nieder zu legen. Viele Besucher:innen der Gedenkstätte waren entsetzt wegen des Diebstahls. „Wo leben wir denn hier?“, so eine Besucherin. Weitere sagten: „Unfassbar!” und „Was für eine Schande“.
“Dem Karl Liebknecht, dem haben wir’s geschworen, Der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand” – Im Hier und Jetzt zu kämpfen heißt auch, die Erinnerung an die Kämpfe der Vergangenheit am Leben zu erhalten!