Bürgerliche Feindmarkierung

aus: Neukölln

Langsam hat sich der Rauch der Silvesternacht verzogen und es wird immer klarer: Berlin steht noch. Auch wenn die Polizei Meldungen vom ersten Januar es anders erscheinen ließen. Die eigentliche Entgleisung am Jahresbeginn war eben nicht die Gewalt der Jugendlichen, sondern die rassistische Hetze in den Springer Medien und öffentlich Rechtlichen die es kaum erwarten konnten sich auf Neukölln zu stürzen wie die Aasgeier.

Viel klarer als die unterschwelligen und mehrdimensionalen Beweggründe einer perspektivlosen und erlebnisorientierten proletarischen Jugend wurde durch die Debatte das sozial-chauvinistische und rassistische Weltbild der Journalisten von NZZ über Welt bis zur Zeit. Immer wiederholen Menschen die offensichtlich noch nie einen Fuß in unseren Stadtteil gesetzt haben ihre vorgefertigten Meinungen über das was angeblich hier vor sich geht. Neuköllner:innen kommen keine zu Wort, zumindest keine die den vorgefertigten Meinungen widersprechen.

Mit Fakten haben es die Journalisten sowieso nicht so sehr. Von hunderten Verhafteten mit Migrationsgeschichte die die Polizei zunächst Meldete blieben nach dem Faktencheck nur ein Dutzend mit deutscher Staatsangehörigkeit über. Und auch die meisten angriffe auf Rettungskräfte und Polizisten spielten sich in andern Stadtteilen ab. Selbst in Lichterfelde gab es davon mehr als in Neukölln. Die Korrektur ihrer Berichterstattung druckten die Neukölln Experten der großen Zeitungen jedoch nicht als Schlagzeilen sondern als kleine Meldungen, so das von Silvester auch Monate später nur die rassistische Debatte übrig bleibt, die einen ganzen Stadtteil als den Feind eines jeden ordentlich integrierten Mitbürgers markiert.

Neukölln, ist dabei eher ein rhetorisches Symbol als ein tatsächlicher Ort. Kein Stadtteil eignet sich so sehr für rassistische Stimmungsmache und das lamentieren über angeblich gescheiterte Stadt- und Integrationspolitik. Der wohl bekannteste Stadtteil der Bundesrepublik steht dabei für vieles was den Konservativen ein Dorn im Auge ist:

Multikulturelles leben, progressive Kunstszene und liberaler Hedonismus genauso, wie Kriminalität, Subkulturen, Elend und Armut. Neukölln schockiert die rechte Leserschaft und garantieren Klicks.

Das die Polizei in Neukölln auftritt wie eine Besatzer Armee, das die soziale Verdrängung und die Städtische Aufwertungspolitik hier so stark sind wie kaum anderswo in der Stadt und das der korrupte Bezirksbürgermeister sich lieber schützend vor kriminelle Großinvestoren wie Benko stellt als für seinen Stadtteil einzustehen bleibt in der Debatte gerne mal außen vor.