Stadtumbau als Aufwertungsmaschine
Von der Kommission für Wohnen der Kiezkommune Wedding
Ende 2021 hat der Berliner Senat ein weiteres Stadtumbaugebiet mit zwei darin enthaltenen Sanierungsgebieten beschlossen. In den nächsten 15 Jahren stehen im Areal zwischen Gesundbrunnen Center und Nettelbeckplatz, den Initiativen in Widerstandsplatz umbenennen wollen, zahlreiche Veränderungen durch das mehr als 80 Millionen Euro umfassende Aufwertungsprogramm an. Finanziert wird es aus dem Städtebauförderprogramm „Lebendige Zentren und Quartiere“ .
Die Ausweisung eines Stadtumbaugebiets hat die Aufwertung eines Quartiers zum Ziel. Beim „Stadtumbau Ost“ ab Mitte der 2000er Jahre ging es um zweierlei: Einerseits den großflächigen Abriss von leerstehenden Quartieren. Parallel dazu wurden Aufwertungsmaßnahmen, vor allem der Innenstädte und „erhaltenswerter“ Quartiere, gefördert. Für „Problemquartiere“ im Westen wurde dann der „Stadtumbau West“ entwickelt, der im Prinzip ähnlich funktioniert. Aber während es historisch oft um großflächige Abrisse ging, geht es im Gesundbrunnen darum, Neubaupotentiale zu erschließen sowie Verkehrswege umzubauen und zu begrünen.
Im Vorfeld der Ausweisung als Sanierungsgebiet wurde durch private Beratungsfirmen eine Studie erstellt. Die Ergebnisse lieferten die Grundlage für die Sanierungssatzung und die bereits durchgesickerten Veränderungsideen des Bezirks. Befragt wurden Mieter/innen, Eigentümer/innen und Gewerbetreibende. Interessierte konnten über die Beteiligungsplattform mein.berlin.de teilnehmen, jedoch antworteten nur 11% der befragten Haushalte und eine Repräsentation der Bewohnerschaft scheint damit kaum gegeben zu sein. So antworteten überwiegend junge Leute zwischen 18 und 35 Jahren mit einem überwiegend universitären Bildungsabschluss. 80% der Antwortenden gaben an, keinerlei staatliche Sozialleistungen zu beziehen und etwa die Hälfte sind erst in den letzten 5 Jahren in den Kiez gezogen. Eine seriöse Einordnung der Aussagekraft der Erhebung bleiben die beteiligten Stellen im Bezirk bisher schuldig.
Gewerbetreibende sollen weichen
Auch ein zweiter Aspekt wirft Fragen auf. Denn Gewerbetreibende spielen zwar in Analysen und Planungen eine große Rolle, allerdings nahmen nur 30 Betriebe, also lediglich 6,5%, an der Befragung teil. Dieser Aspekt wurde durch Gewerbetreibende der KFZ-Werkstätten in der Böttger-/Bastianstraße bei einer öffentlichen Sprechstunde kritisiert und deckt sich auch mit eigenen Befragungen vor Ort. Dabei wurde deutlich, dass vor Ort kaum jemand von den anstehenden Änderungen etwas weiß. Doch gerade im Böttgerblock stehen in den kommenden Jahren die wohl stärksten Veränderungen an. In Ausstellungsunterlagen ist anstelle der derzeitigen Werkstätten von ruhigen Wohnquartieren, einem Grünzug mit Spielplatz und der Nutzungsmischung aus Büros, Dienstleistungen und Kulturstätten zu lesen. Das Gebiet der ehemaligen Stettiner Bahn und einer alten Munitionsfabrik erfährt damit eine komplette Neustrukturierung. Das überwiegend migrantisch geprägte bisherige Kleingewerbe soll einem klimagerechten modernen Wohnquartier weichen. Aus der Gegenüberstellung von „dreckigem Gewerbe“ und klimaneutralem Neubau können sich die vorgeschlagenen Pläne – leider wie so oft – nicht lösen.
Schlussendlich hat sich in den Plänen ein bestimmtes, besser situiertes Milieu durchgesetzt. Es verspürt zwar selbst Bauchschmerzen bei Themen wie Gentrifizierung und Verdrängung, weiß aber durch solche „Beteiligungsverfahren“ durchaus seine Interessen in Kooperation mit der Verwaltung durchzusetzen.
Insgesamt ist die Maßnahme das Hintergrundrauschen einer allgemeinen Aufwertungstendenz im Bezirk, die von Senat und Bezirk befördert wird. Das, was die B.Z. als „den Ortsteil Gesundbrunnen sozusagen [zu] heilen“, betitelt, sollte durch stadtpolitische und soziale Initiativen einer sehr kritischen Begleitung unterliegen. Nur so ist sicherzustellen, dass das viele Geld auch da ankommt, wo es tatsächlich gebraucht wird und nicht, wie in vielen anderen Nachbarschaften, der Verdrängung seiner Bewohner/innen und Gewerbetreibenden dient.
Zuerst erschienen in: MieterEcho 430 / Feb 2023